aus: Süddeutsche Zeitung

Das perfekte Eis

Die junge Gelateria-Kette Grom aus Turin entstand aus Spargroschen und einem Schuss Verrücktheit. Die Kunden stehen Schlange

Eis macht glücklich, das ist erforscht. Man sieht es aber auch in den Gesichtern derer, die vor der Gelateria "Grom" in der Via della Maddalena im Zentrum Roms bei drückender Hitze die tiefgekühlte Nascherei genießen: Das Glücksgefühl hat mit dem Geschmack zu tun, mit Kindheitserinnerungen und dem höchst sinnlichen Vorgang des Eisleckens.

Die erstaunliche Erfolgsgeschichte der Gelateria-Kette Grom hat in Turin mit zwei jungen Männern und deren Traum vom Gelato angefangen, das sein sollte wie früher einmal. Guido Martinetti und sein Freund und Geschäftspartner Federico Grom haben sich vor zehn Jahren mit 32 500 Euro Erspartem, einem Schuss Verrücktheit und dem Ehrgeiz, das bestmögliche Gelato zu produzieren, in das Wagnis einer eigenen Eisdiele gestürzt. Sie hatten vorher nie mit dem Gewerbe zu tun. Jetzt erobern sie Stadt um Stadt mit Gelato ohne künstliche Zusatzstoffe, hergestellt aus ausgesuchten Zutaten.

Federico Grom, 39, der Wirtschaft studiert hat, ist für die Finanzen zuständig. Martinetti, 37, ist mit seinem Bart und den etwas längeren dunkelblonden Haaren als der Kreative des Gründer-Duos zu erkennen. Er hatte die Idee, Gelato zu machen. Ein Artikel des Slow-Food-Gründers Carlo Petrini hatte ihn fasziniert, der beklagte, dass es kein Eis mehr wie früher gebe, weil alles voller Kunstaromen und Zusatzstoffe sei. 48 der mit Holz, Stahl und cremeweißen Wänden gestalteten Filialen gibt es bereits in Italien, zehn weitere haben die Turiner in Frankreich, Japan und den USA eröffnet. In einem Jahrzehnt, in dem Italiens Wirtschaft stagnierte, ist Grom stetig gewachsen. Die 500 Mitarbeiter sind im Durchschnitt nur 28 Jahre alt - ungewöhnlich für Italien, wo junge Leute sich schwer tun, feste Anstellungen zu finden.

An warmen Abenden reicht die Schlange vor Grom an der Via della Maddalena 30 Meter weit auf die Straße, obwohl die Konkurrenz hier stark ist. Nur wenige Schritte weiter zum Beispiel gibt es das berühmte Eis des traditionsreichen Café Giolitti, andere wären erbleicht vor diesem Namen. "Das schreckt uns nicht", sagt Luca Benedetti, der sich mit 33 Jahren schon vom Eisverkäufer zum Gebietsleiter für Mittelitalien hochgearbeitet hat, "wir sind anders." Etwa 100 Kilo Gelato gehen hier im Sommer jeden Tag über den Tresen. Für die optimale Konsistenz arbeitet Laura, die junge Frau mit der weiß-blauen Firmenmütze an der Theke, das Gelato immer wieder mit einem Spatel durch, ehe sie es in Waffeln oder Becher füllt. Dabei schichtet sie verschiedene Sorten sorgfältig in Lagen übereinander.

"Die Kunden sollen jeden Geschmack einzeln schmecken können", sagt Benedetti. Die 24 Sorten des Sommers sind unter Aludeckeln verborgen, um die Temperatur zu bewahren - minus 12 Grad für Milcheis und minus 13 für Fruchteis, sonst leidet die Qualität, erklärt Filialleiter Matteo Ricci, 26. Hinter einer Glasscheibe im Laden bereitet der "Produttore" an der Eismaschine die flüssigen Eismischungen auf, die jeden Tag aus der Zentrale in Turin kommen, wo sie nach handwerklicher Methode hergestellt werden. So bleibt die Qualität in jedem Laden gleich.

Denn eine Bedingung für den Erfolg, sagt Grom-Gründer Guido Martinetti, ist es, den Kunden nie in der Qualität des Produkts zu enttäuschen. "Und man muss mit Leidenschaft bei der Sache sein". Außerdem, sagt Martinetti, müsse der Geschäftspartner perfekt passen - "das ist wie beim Tanzen". Geklappt hat das bei ihnen sehr schnell. Im zweiten Jahr hatten sie mit ihrer Turiner Eisdiele schon eine halbe Million Euro Umsatz, vier Mal mehr, als der Businessplan vorsah. Martinetti geht jeder Zutat auf den Grund. Wie ein Lebensmittelchemiker kann er erklären, was mit den Fettmolekülen und der Luft in der Sahne passieren muss, damit eine dichte Schlagsahne entsteht. Von Reisen nach Hokkaido in Japan erzählt er, um perfekte Melonen zu finden, in Venezuela und Guatemala war er wegen des Kakaos. Die Pfirsiche für Sorbet hat er dagegen im heimatlichen Piemont gefunden. Kapital für die Expansion kam von der Illy-Gruppe. Die Kaffeeproduzenten haben einen Fünf-Prozent-Anteil von Grom gekauft, 50 Millionen Euro ist die Firma wert. Jetzt in der Krise helfe ihnen, sagt Martinetti, dass ihr Produkt erschwinglich sei. Die Leute gingen vielleicht weniger ins Restaurant, aber ein Gelato für 2,50 Euro gönnten sie sich immer noch. Natürlich fange die Qualität der Zutaten bei der Landwirtschaft an, sagt Martinetti. Er weiß, was Kühe fressen müssen, damit aus ihrer Milch beste Sahne wird, dass nur Eier freilaufender Hühner schmecken, und natürlich, wo welche Frucht am besten wächst. Inzwischen betreibt Grom im Piemont einen eigenen Bio-Hof; von dort kommen zum Beispiel die Pfirsiche. Wie ein Märchen klingt die Geschichte dieser Firma, Martinetti und Grom haben sie im Mai als Buch veröffentlicht. Dabei wollten sie doch eigentlich nur richtig gutes Eis machen.

ANDREA BACHSTEIN